COVID-Safer-Sex – Wenn die Pflicht zum Fetisch wird
Veröffentlicht 13th Dezember, 2020
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Die staatlichen Schutzmaßnahmen zur Verhinderung einer Ansteckung mit dem neuen Coronavirus verändern vieles. Was für die einen Einschränkung und Frust bedeutet, führt bei anderen zu neuen Anregungen.
Wenn wir in Zukunft zurückschauen werden auf das Jahr 2020, könnte es gut der Fall sein, dass wir es als den Beginn einer Zeitenwende betrachten. Der Ausbruch der Corona-Pandemie könnte dann als ein epochales Ereignis in die Geschichtsbücher eingehen und wir werden von einem Davor sowie einem Danach sprechen. In jeder neuen Ära entwickeln die Menschen andersartige Moden und Trends, die im Nachhinein oftmals als typisch für eine Zeitspanne angesehen werden. Was wir derzeit beobachten können, ist die Ergänzung von herkömmlichem Safer Sex um Maßnahmen, die zum Beispiel auch die Ausübung von Prostitution coronasicher machen sollen. Es entstehen quasi Grundsätze, für einen COVID-Safer-Sex. Was für die einen nervige Umstände bedeutet, erregt in anderen ein besonderes Verlangen: ein neuer Fetisch kommt auf.
Masken, Uniformen und Erotik – eine bekannte Affäre
Dass Berufsuniformen von der Polizei genauso wie Arztkittel auf viele Menschen erotisch anziehend wirken, ist altbekannt. Da ist es eigentlich naheliegend, dass auch Seuchenschutzanzüge und die dazugehörigen Accessoires bei so Manchem besondere Zustände auslösen. Mund- und Nasenschutzmasken sind seit jeher Teil der Doktorspiele für Erwachsene und werden jetzt noch durch Gesichtsschilder ergänzt. Überhaupt scheinen Masken im Allgemeinen eine gewisse Erregung zu fördern, sind sie doch ein häufiges Element zahlreicher Sado-Maso- und Dominaspielarten. Eine Maskierung kann die Autorität einer Person erhöhen, da sie menschliche Züge teilweise oder ganz verdeckt, was eine Identifizierung mit dem Gegenüber erschwert. Ist wiederum die untergeordnete Person maskiert, wird ihre Objektifizierung erleichtert, was für dementsprechend geneigte Personen den Lustgewinn ergibt.
Safer Sex nach COVID-Art
Auch und gerade in der Prostitution, spielen coronasichere Maßnahmen eine große Rolle. In Deutschland ist es in den meisten Bundesländern so, dass trotz intensiver öffentlicher Proteste von SexarbeiterInnen, die Ausübung des Gewerbes bis auf Weiteres verboten bleibt. Dabei wurde von den Verbänden der Prostitution extra ein umfangreiches Hygienekonzept erarbeitet, welches Ansteckungen mit dem neuen Coronavirus verhindern soll. Mehrfaches Desinfizieren der Hände und das Tragen eines frischen Mund-Nasen-Schutzes sowie die Limitierung von Sexstellungen auf drei, bei denen die Prostituierte dem Mann ihr Gesicht abwendet, sollen die Lösung sein. Ziemlich realitätsfern und verschroben, sagen Branchenkenner, aber ist nicht bereits etwas gewonnen, wenn diese Maßnahmen zu einer schrittweisen Normalisierung beitragen? Das Kuriose an der aktuellen Situation: erotische Geschäfte sind nicht mal dann erlaubt, wenn Prostituierte und Freier eine Gasmaske tragen, also eine Corona-Übertragung damit bei desinfizierten Händen so gut wie ausgeschlossen sein sollte. Liebesdamen und Bordellbetreiber argumentieren mit den Landesregierungen bereits seit Monaten. Aber der Staat zeigt sich hart und nur sehr langsam werden vorsichtige Zugeständnisse geäußert, die vielen Frauen in Not Hoffnung machen dürften Denn eines ist für die allermeisten Sexarbeiterinnen klar: das Arbeiten in der Illegalität schafft neue Probleme, ohne alte Herausforderungen zu lösen. Was allerdings tatsächlich passieren könnte, ist, dass in Zukunft so mancher Kunde auch nach Ende der aktuellen Pandemie auf einen Mund-Nasenschutz bestehen wird, wenn er eine Prostituierte besucht. Schnell hat man sich an neue Bedingungen gewöhnt und das Sicherheitsbedürfnis könnte bei manchen Menschen gestiegen sein. Und vielleicht werden es ja die Damen sein, die weiterhin auf einen Atemschutz bestehen werden, die Zukunft wird es zeigen.
Corona-Porn wird bereits beliebter
Aber es ging um Fetische und hier ist ein Blick in die angrenzende Welt der Pornographie oft erhellend. Es kommt ja öfter vor, dass sexuelle Trends, die sich aus gesellschaftlichen Veränderungen ergeben, auch Einzug in die Gestaltung von Pornos finden. Kein Wunder also, wenn auf den einschlägigen Plattformen vermehrt Videos auftauchen, welche die gezeigten Handlungen thematisch in die Corona-Pandemie einrahmen. Dabei gibt es die Pärchen, welche sich in der Quarantäne erotisch und wild die Zeit vertreiben, aber die große Welle von Pornos in Seuchenschutzanzügen bleibt bisher noch aus. Schade eigentlich! Aber dazu muss noch gesagt werden, dass einige Plattformen aus Gründen der Pietät verhindern, dass zu explizite Corona-Pornovideos hochgeladen werden. Okay. Verständlich wenn große Unternehmen einen Shitstorm vermeiden wollen, aber da gibt es bestimmt noch einige andere Pornoformate, denen theoretisch die gesellschaftliche Ächtung drohen könnte. Trotzdem lassen sich die Branchengrößen von schwierigen Produktionsbedingungen nicht lumpen. Die Porno-Plattform Pornhub etwa, macht mit seinem Format Scrubhub kreativ und erotisch auf die Notwendigkeit des Händewaschens aufmerksam.
Wenn das Seuchen-Team kommt
Es ist also so, wenn die Leute nun damit beginnen würden sich im Seuchenschutzanzug gegenseitig zu examinieren, wäre das genauso Privatsache und völlig in Ordnung wie sich gegenseitig auszupeitschen, bei beiderseitigem Konsens. Der Corona-Fetisch könnte lediglich als eine weitere Verkleidung abgetan werden, aber er ist mehr als das. Denn dieser Fetisch beinhaltet bewusst das Spiel mit der Gefahr, dem Übertreten oder genügsamen Einhalten von Regeln und Gesetzen. Ähnlich wie bei machen Arrangements aus dem BDSM-Bereich, ist auch der Corona-Fetisch die Simulation einer Gefahr, die bei richtiger Umsetzung sich aber so echt anfühlt, als wäre man tatsächlich in einem Hollywoodstreifen mitten in einer endzeitlichen Virusepidemie, die uns zu völlig neuen Verhaltensweisen und Vorsichtsmaßnahmen zwingt. Moment, sind wir das nicht? Achso, war ja nur ein Fetisch, ganz so schlimm wie im Kino kam es wohl noch nicht, trotz allem. Und das nächste Seuchen-Team wartet bestimmt schon darauf vernascht zu werden. Bleibt alle sicher – und Händewaschen nicht vergessen.