Nicht erst seit der Corona-Pandemie erfreuen sich Sexpuppen einer wachsenden Beliebtheit. Allerdings scheinen die Kontaktbeschränkungen zu einem regelrechten Boom der LiebhaberInnen aus Silikon zu führen. Ein Trend aus Japan schwappt nun nach Deutschland: das erste Sexpuppen-Bordell wurde eröffnet.
Geht es um Prostitution, wird schnell die Redewendung vom ‚ältesten Gewerbe der Welt‘ bemüht. Ob dies auch wirklich der Wahrheit entspricht, oder nicht eher Hebammen, Heiler oder Steinmetze noch früher dran waren bezüglich einer beruflichen Professionalisierung, ist Gegenstand mancher Diskussion. Für das Gebiet des heutigen Deutschlands ist jedenfalls bekannt, dass es bereits vor dem 16. Jahrhundert Bordelle gegeben haben muss, denn während der Reformation wurden eben diese abgeschafft, um anschließend um 1700 vom Preußischen Staat wieder eingeführt zu werden. Bis heute gibt es in jeder größeren Stadt Bordelle, die oft auch unter den Synonymen Puff, Freudenhaus, Saunaclub oder Eros-Center firmieren. Aber ganz gleich wie sehr sich Bezeichnungen des Treibens im Rotlicht verändert haben, eines blieb bisher stets das Selbe: Prostitution bedeutet, eine Person bezahlt eine andere Person für sexuelle Dienste, bzw. für die Zurverfügungstellung ihres Körpers. Das ist es, was seit der Antike und offenbar auch schon davor, unter Prostitution verstanden wird. Erst heutzutage geraten wir das erste Mal in der Menschheitsgeschichte an eine Entwicklung, die zu einem tiefgreifenden Paradigmenwechsel führen könnte und das Potenzial hat, Prostitution nachhaltig zu verändern. Die Ursache für diese möglichen Veränderungen ist die wachsende Popularität von ‘Sexdolls’, oder auf Deutsch: Sexpuppen.
Beliebtheit von Sexpuppen steigt
Den Meisten altbekannt sind diese Gummipuppen, welche eher die Erotik eines Schwimmtiers aus PVC verströmen und die mit ihren grotesk reduzierten Gesichtern nicht wirklich die erotischen Wünsche der männlichen Mehrheit treffen dürften. Solche aufblasbaren Partygags könnten kaum weiter entfernt sein von einem echten sexuellen Erlebnis, und genauso wenig haben sie mit den bereits ziemlich realistischen Sexpuppen der neuesten Generation zu tun. Hochspezialisierte Produzenten, oftmals in China ansässig, überbieten sich bei der Verfeinerung ihrer Sexpuppen, sodass man feststellen kann: jedes Jahr werden die stummen Frauen aus Silikon ihren realen Vorbildern ein wenig ähnlicher, vor allem optisch aber langsam auch haptisch. Auf Fotos oder aus einer Entfernung von ein paar Metern betrachtet, haben heutige Sexpuppen bereits ein erstaunlich realitätsnahes Aussehen. Der geneigte Kunde hat dabei eine riesige Auswahl aus unterschiedlich gestylten Puppen und kann ganz nach seinen Vorlieben wählen. Viele Hersteller bieten umfangreiche Möglichkeiten zur Individualisierung der Sexpuppen an, ganz nach Kundenwunsch. Haarfarbe, Ton der Hautfarbe, Augenfarbe, Wimpernlänge, Nagelfarbe, Brustgröße, Nippelgröße, Mund mit Zunge oder ohne und natürlich die Gestaltung des ‘Intimbereichs’ können relativ frei konfiguriert werden. Für eine hochwertige Puppe aus Silikon sind etwa 1.000 bis 2.000 Euro fällig und wenige Wochen nach Bestellung, erhält der Kunde seine ‘Traumfrau’ in einem großen Karton nach Hause geliefert.
Warum werden Sexpuppen gekauft – und von wem?
Zuerst einmal kann als gesichert gelten, dass seit Ausbruch der Corona-Krise die Umsätze der Sexpuppen-Händler stark gestiegen sind, manche haben ihr Auftragsvolumen verdoppelt. Allerdings hat sich dieser Trend bereits vor der Pandemie abgezeichnet, wenn auch nicht in dieser Intensität. Dabei sind die meisten Kunden männlich und nennen Einsamkeit als häufigsten Grund für den Erwerb einer Sexpuppe. Andere haben einfach keine Lust, den großen Aufwand des Datings zu betreiben oder ihre Avancen wollen einfach nicht zum gewünschten Erfolg führen. Klar ist, der Hauptgrund für den Kauf einer solchen Puppe ist es, mit ihr Sex zu haben. Viele fühlen sich wohl freier mit einer Puppe im Bett, als mit einer Partnerin, auf deren Befindlichkeiten geachtet werden muss. Dabei sind es übrigens nicht ausschließlich Männer, die sich vermehrt damit anfreunden mit einer Puppe zu schlafen. Denn auch die Umsätze mit männlichen Sexdolls steigen an und die werden nicht nur von Homosexuellen bestellt. Berühmt wurde ein Video der Nachrichten-Plattform Vice, in dem eine Reporterin eine Sexpuppen Fabrik besucht, sich ihren Traummann herstellen lässt und ihn dann testet. Ihr Fazit: das Erlebnis sei einfach viel zu real! Es sind also die unterschiedlichsten Leute, die sich für den Kauf einer Sexdoll entscheiden. Was sie eint, sind unbefriedigte sexuelle Begierden, die sie dann zumindest teilweise mit ihrer Puppe ausleben können.
Viele fühlen sich wohl freier mit einer Puppe im Bett, als mit einem Partner, auf dessen Befindlichkeiten geachtet werden muss.
Werden sich Sexpuppen-Bordelle etablieren?
Kluge UnternehmerInnen nutzen bereits den Trend zur Sexpuppe und haben Bordelle eröffnet, in denen ausschließlich Plastikfrauen ‘arbeiten’. Die Idee dazu stammt wohl aus Japan, wo man bereits seit Jahrzehnten Technologie im Alltag viel offener gegenüber steht als etwa in Europa. Vom Roboterhund zur Roboterhure war es dann wohl für Manche bloß noch ein kleiner Schritt. Deutschlands erster Puppen-Puff befindet sich auf jeden Fall in Dortmund, wo ein ganzes Dutzend ‘Damen’ auf ihre Kunden wartet. Das Ambiente ist in rot gehalten und schummrig beleuchtet. So, wie man sich ein Freudenhaus im Klischee vorstellt und das kommt nicht von ungefähr, denn das ‘BorDoll’ war in seiner vorherigen Verwendung ein Bordell mit echten Prostituierten. Etwa 80 Euro kostet eine Stunde mit der Puppe der Wahl. Nach jedem Gebrauch wird der begehrte Gegenstand aufwändig gereinigt und desinfiziert, bevor er dem nächsten Interessenten zur Verfügung gestellt werden kann. Die Auflagen der Behörden sind streng und wurden in Zeiten von Corona nochmals erhöht. Auch im Sexpuppen-Bordell steht also die Sicherheit an erster Stelle. Gerade Kritiker der Prostitution könnten eigentlich sehr froh sein über den Trend zur Puppe, da diese hauptsächlich mit der Ausbeutung weiblicher Körper und Seelen argumentieren. Erst diesen Juli haben sich 26 Organisationen und Initiativen in Deutschland zusammengeschlossen, um in einem gemeinsam formulierten Papier hierzulande ein umfassendes Prostitutionsverbot nach schwedischem Vorbild von der Bundespolitik einzufordern.
Ist das noch Sex oder schon Masturbation?
Aber so simpel wie es theoretisch denkbar ist, zeigt sich die ganze Angelegenheit mitnichten. Denn einem einzigen Sexpuppen-Bordell stehen in Deutschland immer noch rund 1600 ‘echte’ Bordelle gegenüber. Und eine Sexdoll kann zwar auf einem Bett liegen wie schlafend, sich anfassen und sogar penetrieren lassen, aber mit einer echten menschlichen, sexuellen Erfahrung hat das ganze dann doch recht wenig zu tun. Denn mit einer Sexpuppe kann man schlecht in ein edles Restaurant gehen, anregende Gespräche führen und auch eine ausgedehnte gemeinsame und lustige Nacht ist doch eher etwas, das mit einer echten Escort-Dame möglich ist, mit einer Puppe aber nur schwer vorstellbar scheint. Bisher sind die Dolls also ein nettes Sexspielzeug um Masturbation ein wenig aufzupeppen, aber nicht viel mehr. Es ist die in ihrer Natur liegende absolute Passivität, die der Puppe im Wettbewerb mit echten Escorts zum Verhängnis wird und sie als Nischenprodukt für schüchterne Sonderlinge oder eben für Experimentierfreudige degradiert – bislang zumindest.
Technologie versus Menschlichkeit
Aber der technologische Fortschritt bei Sexpuppen ist rasant und sollte bei einer Analyse des Themas nicht unterschlagen werden. Einige Hersteller integrieren in ihre Modelle Elektromotoren, damit sich etwa Arme und Hals automatisch bewegen. Auch auf Künstlicher Intelligenz basierende Sprachsteuerungen werden bereits verbaut, genauso wie dazu passend bewegliche Augen und Münder. Es gibt sogar Modelle, welche Körperwärme imitieren und sich damit sowohl von Außen auf der Haut, als auch im Innern vermehrt menschlich anfühlen. In solchen Fällen können die Preise die 6000 Euro Schwelle erreichen und anstatt einer Gummipuppe gibt es dafür echtes High-Tech. Manche Sexpuppen sollen bereits so stark digitalisiert und nah an einem echten Roboter sein, dass, kein Witz, mittlerweile die Gefahr von Hackerangriffen besteht. Es wird wohl nicht mehr lange dauern und die erste Sexpuppe, ferngesteuert von einer Schadsoftware, erwürgt ihren Besitzer. Noch müssen wir den Teufel nicht an die Wand malen, jedoch sind Sexroboter wie etwa in Steven Spielbergs Science-Fiction Film A.I., aus heutiger Sicht keineswegs mehr unvorstellbar.
Sexpuppen ziehen auch Kritik auf sich
Jetzt läge wohl die Frage nahe, was an einer weiteren Verbreitung von Sexpuppen falsch sein könnte? Müssten nicht gerade die KritikerInnen der Prostitution froh darüber sein, dass dadurch viel weniger Frauen zu einem sexuellen Dienstleistungsberuf gedrängt würden, als es heute der Fall ist? Auch hier ist die Antwort wieder gar nicht so einfach, denn auch die eigentlich unschuldigen, weil leblosen, Silikonmodelle ziehen einige Kritik auf sich. ExpertInnen verweisen darauf, dass durch eine Gewöhnung an Sexpuppen die sexuelle Objektifizierung von Frauen noch weiter verstärkt wird, die Effekte der massenhaft frei verfügbaren Pornographie verstärkend. Desweiteren wird befürchtet, eine Gewöhnung an den Umgang mit Sexpuppen könnte die Hemmschwelle zur Auslebung von Gewaltphantasien fördern, wenn sie erst mit einer Puppe praktiziert werden und dann die Lust auf eine Umsetzung mit realen Personen steigt. Hinzu Kommt die Tatsache, dass es bisher kein weitreichendes Verbot von Sexpuppen gibt, die ein klar minderjähriges Aussehen haben. Da muss der Gesetzgeber noch nachbessern, wie so oft, wenn es zu neuen Entwicklungen kommt. Aber bei aller Kritik und Narrenfreiheit wird es bestimmt noch eine ganze Weile dauern, bis das was wir Liebe und Erotik nennen, tatsächlich nennenswert durch synthetische Plastikfrauen ersetzt werden kann.