Wir reden mit Madame S. über ihr Leben als Domina mit eigenem Studio, wie sie zu diesem speziellen, von Mythen umrankten Beruf kam und darüber, welche Männer zu ihr kommen. Auch die Themen gesellschaftliche Akzeptanz und Corona haben wir angerissen. Vielen Dank S., dass wir dich interviewen durften!
Hallo Madame S., welche Berufsbezeichnung verwendest du für deine Tätigkeit?
Mein Beruf ist ganz klassisch Domina. So habe ich auch meine berufliche Tätigkeit auch beim Finanzamt angemeldet. Viele fragen sich, was man sich unter diese Bezeichnung vorstellen soll. Eine Domina ist eine Frau, die Spaß dabei hat, Männer zu dominieren, sie lustvoll zu quälen und ihnen dabei hilft ihre unterwürfige Seite rauszulassen. Eine Domina praktiziert keinen Sex im klassischen Sinne, das heißt ich ziehe mich nicht aus und habe keinen Geschlechtsverkehr mit den Gästen. Das einzige, was sie lecken dürfen, sind meine Stiefel.
Wie bist du zu deiner aktuellen Tätigkeit gekommen?
Ich bin nach einer langen Beziehung in der SM-Szene gelandet. Denn ich wollte dringend etwas Neues probieren und neue Facetten von Sex und Lust entdecken. Ich habe damals zum ersten Mal einen Fetischclub in Berlin besucht und mich von Anfang an dort wohl gefühlt. Nach einigen Minuten hatte ich schon einen Typ an der Leine. Ein Mann hat mich dann gefragt, ob er mich buchen könne. “Was buchen? Ich bin doch kein Reisebüro”, habe ich geantwortet. Aber er meinte, er wolle mich bezahlen, um alles in Ruhe und alleine zu machen. So habe ich angefangen, mich über das Thema SM zu informieren, Bücher zu lesen und habe meinen eigenen Stil entwickelt. Den Typen habe ich noch ein paar Mal im Club getroffen und dann habe ich es probiert, ich war seine Domina: In dem Moment habe ich verstanden, das war genau mein Ding.
Nachdem du deinen Stil gefunden hattest, was genau bietest du an?
Ich biete überwiegend klassische Dominanz mit den klassischen Tools, wie Spanking, Peitschen oder Handschellen. Was aber ich anbiete, und das tun nicht so viele Dominas, sind Sessions in Alltagskleidung: Viele Kunden möchten kein Latex oder Leder. Sie möchten, dass ich einfach Jeans trage oder Hausschuhe und Bademantel. Ich unterscheide mich manchmal gerne von der Masse.
Was für Kunden ziehst du mit deinem Konzept an?
Bezüglich meines Publikums habe ich Gäste aus verschiedensten Altersgruppen: Mein jüngster Gast ist 18 Jahre und der älteste ist 93 Jahre alt. Im Vergleich zu früher sind Achtzehnjährige heutzutage deutlich aufgeklärter. Sie wissen bereits, was sie wollen und trauen sich, etwas Neues auszuprobieren. Es sind nicht nur die klassischen Geschäftsmänner, die eine Domina besuchen, sondern auch Angestellte, Beamte, Arbeiter oder Azubis. Manchmal habe ich hier auch Hartz-4-Empfänger zu Besuch, die dafür lange gespart haben. Wenn man es so nimmt, könnte jede, der dir begegnet auch ein Gast von mir sein.
Wie organisierst du deinen Arbeitsalltag, hast du feste Routinen?
Der Gast und ich vereinbaren telefonisch einen Termin. So kann ich schon im Voraus die unwillkommenen Gäste aussortieren. Denn Termine mit Gäste, die Praktiken wollen, die nicht mein Ding sind oder die ich nicht verantworten kann, lehne ich ab. In vielen Jahren Erfahrung entwickelt man ein Gefühl dafür, wie sich ein unerwünschter Gast früh bemerkbar macht. In meinem Studio biete ich dem Gast etwas zu Trinken an und dann sprechen wir erst einmal auf Augenhöhe. Mir ist es wichtig, dass er sich an die Atmosphäre gewöhnt. Wir besprechen dann, was seine Wünsche sind. Es ist immer eine Wundertüte, weil man nie exakt weißt, was man von der anderen Person zu erwarten hat. Jeder ist anders und das ist für meine Leistung enorm wichtig. Ich tue dann fast alles, was der Gast sich wünscht. Manchmal muss ich aber selbst entscheiden, ob ich etwas tue oder nicht: Wenn zum Beispiel der Gast sich eine Unterspritzung mit Kochsalzlösung wünscht, teste ich erstmal, ob er damit Erfahrung hat. Ich nehme nicht direkt drei Liter davon; ich will mit einem guten Gewissen agieren und nichts tun, was dem Gast körperlich schaden kann. Außerdem ist ein gutes Benehmen die Voraussetzung, um wieder Termine bei mir zu bekommen.
Wie beeinflusst die Corona-Pandemie deine Situation?
Wegen der Pandemie darf ich meine Tätigkeit nicht ausüben, allerdings bin ich trotzdem im Studio, um unter anderem bürokratische Dinge zu erledigen. Denn für Selbstständige gibt es ja keine Alternative: Wir können nicht einfach einen anderen Job anfangen und dann aufhören, wenn wir wieder unsere Arbeit machen können. Dort gibt es Kündigungsfristen und Pflichten. Momentan arbeite ich auch online und bekomme die Solo-Hilfe vom Staat, damit wenigstens meine Fixkosten gedeckt sind. Ich bin mit dem Hilfspaket der Regierung ehrlich gesagt zufrieden. Denn ich hätte nicht erwartet, dass die Art der Arbeitstätigkeit keine Rolle spielt, um die Unterstützung zu beantragen. Dass ich Domina bin, war dabei zu keinem Zeitpunkt ein Problem.
Aber ich finde es schade, dass bei den Schließungen alles in einen Topf geschmissen wurde. Man sollte große Laufhäuser, wo sich viele Leute treffen und kleine Studios wie meines, die nur auf einen Gast beschränkt sind, unterscheiden. Ich habe Hygienekonzepte entwickelt, Anwesenheitslisten eingeführt und während der Sessions haben wir immer eine Mund-Nase-Bedeckung getragen. Prostitution ist nicht gleich Prostitution, manche Aktivitäten sind im Bezug auf Corona sicherer als andere.
Wie wirkt sich deine Tätigkeit als Domina auf dein Privatleben aus?
Meine Familie und mein Freundeskreis wissen, was ich tue. Wenn ich neue Leute kennenlerne und sie mich fragen was ich beruflich mache, dann sage ich, dass ich ein Dominastudio habe. Ich werbe außerdem mit meinem Gesicht und bin in der Branche bekannt. Dabei war ich schon das Gesicht für die Kinky Venus und auch im Fernsehen zu sehen. Ich bin stolz auf das, was ich mir aufgebaut habe. Es wäre Blödsinn, wenn ich meine Tätigkeit verstecken würde. Es ist schließlich nichts ist, wofür man sich schämen sollte. Meine Freunde waren schon alle in meinem Studio. Sie unterstützen mich auch, zum Beispiel wenn ich neue Möbel aufbaue. Mein Studio habe ich mit meinem ehemaligen Partner eingerichtet. Als ich ihn kennengelernt hatte, war ich bereits als Domina aktiv. Das hat aber nie ein Problem dargestellt für uns, weil eine Domina ja keine Prostituierte im engeren Sinne ist.
Erlebst du Stigma oder Diskriminierung durch deine Tätigkeit?
Viele Menschen begegnen der SM-Welt mit Vorurteilen. Das klassische Bild der Domina ist eine in schwarzem Latex angezogene Frau mit Peitsche in der Hand. Doch das schlimmste Klischee, das mir immer wieder begegnet ist, dass ich Männer hassen würde. Das stimmt einfach überhaupt nicht. Meine Arbeit hat nichts mit Frustration, Aggression oder Männerhass zu tun. Es ist eine Form von sexueller Lust. Die Männer, die zu mir kommen, möchten das, was ich mit Ihnen tue – sehr sogar.
© dieses Interview ist eine Kooperation mit dem Erotikportal Erobella.com