Wir reden mit Maggy über ihren Arbeitsalltag, ihr Selbstverständnis als Dienstleisterin in der Sexarbeit und darüber, wie sie mit der aktuellen Corona-Situation umgeht. Aber jetzt lest selbst:
Hallo Maggy, welche Berufsbezeichnung verwendest du für deine Tätigkeit?
Wenn man mich nach meinem Beruf fragt, dann sage ich, ich bin eine Dienstleisterin für all die ganz besonderen Wünsche. Ich bin sehr zufrieden mit meinem Job, denn hier kann ich zwei Aspekte verbinden, die mir besonders gut gefallen: das Geld verdienen und Sex.
Wie bist du zu deiner aktuellen Tätigkeit gekommen?
Ich bin erst relativ spät dazu gekommen: Ich war schon 47 Jahre als ich mit dem Anschaffen angefangen habe. Vorher habe ich in der Gastronomie als Kellnerin gearbeitet, aber aus gesundheitlichen Gründen musste ich den Job aufgeben. Da ich unter Arthrose leide kann ich auch andere Jobs nur schwer ausüben. Ich hätte Arbeitslosengeld oder Hartz 4 beantragen können, aber das wollte ich auf keinen Fall. Ich wollte meine Unabhängigkeit behalten. Wenn ich ehrlich bin, hätte ich kein Interesse daran gehabt als Sexworkerin zu arbeiten, wenn ich nicht krank geworden wäre. Ich kann mir auch nicht vorstellen bis zur Rente anschaffen zu gehen. Ich hatte geplant nächstes Jahr aufzuhören, aber wegen Corona ist das jetzt ein wenig schwierig.
Wie wirkt sich die Sexarbeit auf dein Privatleben aus?
Seit ich anschaffen gehe, habe ich privat eigentlich keinen Sex mehr. Ich habe aber auch keinen Partner und kein Interesse an One-Night-Stands. Ich brauche das einfach nicht, denn ich habe genug Sex und Befriedigung. Sex ohne Bezahlung gibt es nur noch, wenn ich jemanden wirklich liebe. Ich habe mich auch schon einmal in einen Kunden verliebt, aber daraus wurde nichts. Ich treffe ihn nicht mehr. Er wohnt inzwischen über 500 Kilometer weit weg. Über meine Arbeit spreche ich nur mit meinem Bruder und meiner Schwägerin. Ich habe auch einige Bekannte, die wissen, dass ich anschaffen gehe, aber sie unterhalten sich nicht gerne über dieses Thema. Das muss ich dann einfach akzeptieren.
Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?
Also einen festen Arbeitstag habe ich nicht, im Gegensatz zu anderen Leuten. Ich bin zwar flexibel und richte mich gerne nach meinen Kunden, besuche sie zuhause, aber zum Beispiel nicht nachts. Das geht nicht. Dann ist auch mal Feierabend. Aber tagsüber bin ich telefonisch eigentlich fast immer erreichbar. Ich entscheide selbst, wann ich arbeiten möchte. Männer bezahlen schließlich nur meine Dienstleistung und nicht die volle Kontrolle über mich. Ich lasse mich da auch nicht ausnutzen. Wenn einer zum Beispiel kein Gummi benutzen will, dann bin ich weg. Es gibt sehr viele Kunden, die danach fragen, aber da diskutiere ich auch nicht. Ohne Kondom, kein Sex. Ich kenne meine Grenzen. Wie gesagt, ich gehe sehr gerne auf die erotischen Wünsche meiner Kunden ein. Darüber sprechen wir zu Beginn des Besuchs, aber Praktiken wie Analsex oder Fisting, die gibt es bei mir eben nicht. Öfter als man denkt, fragen Männer auch nach “Kaviar”. Ich soll den Kunden dann auf den Bauch kacken, aber das ist nichts für mich. Dafür gibt es dann andere Kolleginnen.
Wirst du für deine Sexarbeit von der Gesellschaft stigmatisiert?
Ich denke, Sexarbeit wird erst dann flächendeckend akzeptiert sein, wenn es keine Zwangsprostitution mehr gibt. Ich bin absolut gegen Zuhälterei und Prostitution, die von Männern kontrolliert wird. Hier muss die Politik mehr tun und die Einhaltung der Gesetze sicherstellen, finde ich. Frauen, die kein Deutsch sprechen, sollten in Deutschland gar nicht als Sexarbeiterinnen arbeiten dürfen. Wenn man sich nicht verständigen kann, haben es Ausbeuter leicht. Ohne Kommunikation kann niemand wissen, ob das was hinter geschlossenen Türen passiert, freiwillig ist oder nicht.
Vielen lieben Dank für dieses Interview und deine Offenheit, Maggy!