Wenn der Partner einen im Bett für seine Fantasien belächelt – Sex ist bekanntlich die schönste Nebensache der Welt, oder etwa nicht? Gerade in den Zeiten, in denen die Welt verrücktspielt und außerhalb der vier Wände alles drunter und drüber geht, freut man sich, wenn man abends mit dem Partner seiner Lust nachgehen kann. Aber was ist, wenn man sich gerade öffnen möchte und seinem Gegenüber von neuen Fantasien erzählt und er sie nur abwertend belächelt? Eine Situation, die in der aktuellen Zeit nicht selten vorkommt. Gerade die Menschen, die sich als Teil der Sexpositivität betrachten, sind im Schlafzimmer alles andere als verklemmt und experimentieren gerne im Schlafzimmer.
Was ist Sexpositivität?
Als Sexpositivität wird eine Bewegung bezeichnet, die das erste Mal in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts auftritt. Damals handelte es sich um Frauen, die sich dafür einsetzen, mehr Anerkennung in der Gesellschaft zu erlangen. Besonders in Bezug auf Sex wollten diese Frauenbewegung damals die Normen aufbrechen und die Frau aus der Rolle der Gebärmaschine und des Lustobjekts nehmen. Auch heute existiert diese Bewegung noch und setzt sich dafür ein, dass die Menschen sich aus ihren steifen Denkmustern herausbewegen. Gerade in Hinsicht auf Sexualität ist unsere Gesellschaft immer noch in verschiedene Lager aufgeteilt. Während die einen Homosexualität als etwas ganz Normales ansehen, schämen sich viele dennoch, zu ihrer sexuellen Ausrichtung zu stehen. Sexpositivität will diese Grenzen aufbrechen und den Menschen zeigen, dass es keinen Grund gibt, sich für sexuelle Neigungen oder Vorlieben zu schämen.
Sexpositivität nicht gleich LGBTQI
Seien es Menschen aus der LGBTQI-Szene, denen der Mut zum Outen fehlt oder Menschen, die in ihrer Fantasie über gewisse Sexpraktiken nachdenken, aber sich nicht trauen diese auszusprechen. Es gibt kein richtig und kein falsch, da jeder Mensch in seinem erotischen Sein anders tickt und dies nicht aufgrund von Normen oder gesellschaftlichen Ansichten unterdrücken sollte. Das gilt nicht nur für die LGBTQI-Angehörigen, sondern auch für die, die im Schlafzimmer gerne neue Praktiken ausprobieren möchten. Niemand muss sich für seine Vorlieben und sexuellen Neigungen schämen und sollte sie ungehemmt ausleben können, sofern alles im Bereich des Erlaubten bleibt. VerfechterInnen der Sexpositivität-Bewegung ermutigen die Menschen, aus sich herauszugehen und die bisherigen Grenzen zu durchbrechen, um sich so sexuelle Freiheit zu ermöglichen.
Was ist Kinkshaming?
Nicht jeder ist offen und steht auf neue Erfahrungen im Schlafzimmer. Ein „Nein, ich möchte das nicht ausprobieren.“, würde an dieser Stelle eigentlich schon vollkommen reichen. Aber Menschen, die dem Kinkshaming angehören, gehen dabei ein paar Schritte weiter. Für diese Menschen ist ein absolutes No-Go, wenn das Gegenüber plötzlich mit der Idee von Rollenspielen um die Ecke kommt. Dinge, die für sie neu erscheinen oder ihnen in ihren Vorstellungen nicht gefallen, werden von ihnen abgewertet. Das geht so weit, dass sie den Gegenpart verurteilen, respektlos behandeln und dafür sorgen, dass diese Person sich anschließend schlecht fühlt.
Jemand, der Kinkshaming betreibt, nimmt bei seinen Äußerungen auch nur selten ein Blatt vor den Mund und sagt unverblümt, wie absurd ihm dieser Gedanke erscheint. Statt offen und ehrlich und vor allem respektvoll zu sein, scheint es geradewegs das Ziel dieser Personen sein, die Vorlieben des anderen in Grund und Boden zu stampfen. Wen wundert es, wenn nach so einer Ansprache die sexuelle Stimmung in den Keller sinkt und man sich erst mal nicht mehr traut das eigene Ich zu zeigen.
Sexpositivität vs. Kinkshaming
Stellt man sich nun ein Szenario vor, bei dem sich zwei Menschen kennenlernen, von dem einer Kinkshaming betreibt und der andere sexpositiv ist, kann es schnell zu einem Eklat im Schlafzimmer kommen. Während die eine Person keinen Hehl aus ihren Vorlieben macht und sie am liebsten umgehend ausleben würde, nimmt der Gegenpart eine Abwehr- und Angriffshaltung zugleich ein. Besonders bei einem spontanen Kennenlernen, das ohne viel Anlaufzeit im Bett fortgesetzt wird, kann das zu einem großen Knall führen. Vorlieben und sexuelle Neigungen werden in den seltensten Fällen vorab besprochen und man probiert einfach, was im Schlafzimmer alles geht.
Während nun die sexpositive Person sich beim Ausleben ihrer sexuellen Fantasien nichts Besonderes denkt, stößt sie bei der Kinkshaming Person ungebremst auf ein absolutes No-Go. Was vor ein paar Sekunden noch ein heißes Hin und Her war, wird plötzlich zu einer feurigen Diskussion. Die Vorlieben des Gegenübers werden regelrecht zunichte gemacht, obwohl sie mit keinerlei böser Absicht einhergehen. Man könnte meinen, dass KinkshamerIinnen in ihren sexuellen Ansichten prüde und versteift sind. Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass jemand der seine Sexpositivität als das Normalste der Welt ansieht, seinen Vorlieben einfach freien Lauf lässt. Das kann sehr schnell als Provokation aufgefasst werden und führt nicht selten dazu, dass das Liebesspiel ein vorzeitiges Ende ohne Höhepunkt nimmt – auf beiden Seiten.
Reden und Offenheit
Um genau diese Szenarien zu vermeiden, ist es umso wichtiger, sich vorab über sexuelle Interessen und erotische Fantasien zu unterhalten. So können beide herausfinden, welche Gedankenspiele sie teilen und sie dementsprechend ausleben. Auf der anderen Seite sollte jemand, der nicht so aufgeschlossen ist, auch offen über seine Tabus und Hemmungen sprechen. Ein anregendes Gespräch über Sexfantasien kann nicht nur dazu führen, dass solche Szenarien nicht auftauchen, sondern auch schon zum Teil eines prickelnden Vorspiels werden.
Zusammengefasst
Kinkshaming bedeutet, dass die Menschen Dinge als absurd ansehen, die sie sich selbst nicht vorstellen können. Nimmt man die LGBTQI-Szene raus, bleiben immer noch verschiedene Praktiken, bei denen ein großes Maß an Offenheit die Grundvoraussetzung darstellt. Jemand, der seine Sexpositivität ungehemmt und in vollen Zügen auslebt, kann damit schnell provozierend wirken. Gerade bei Vorlieben, die in den dunklen Bereich der Erotik driften, kann es dazu führen, dass die gewollten Praktiken als sonderbar und absurd angehen werden. Der Kinkshamer fühlt sich überfordert, weiß nicht, wie er reagieren soll und beginnt damit, die Neigungen des anderen in den Dreck zu ziehen und wertet damit auch gleich den Sexpartner als Person ab. Um Reibereien im Schlafzimmer zu vermeiden, zeigt sich anhand dieser beiden Personengruppen wieder, dass nur kommunizierenden Menschen geholfen werden kann. Das gilt besonders dann, wenn es um intime Zweisamkeit geht, bei der die Beteiligten zusammen auf ihre Kosten kommen sollen.