Bereits seit der Antike spielt die Nacktheit, und damit auch die mal mehr, mal weniger subtile Erotik, eine große Rolle in der Bildenden Kunst. Schließlich sind die entsprechenden Zeichnungen auf Tongefäßen oder die Statuen aus dem alten Römischen Reich und dem Antiken Griechenland bis heute Besuchermagnete in den berühmtesten Museen der Welt. Man denke nur an die Statuen des Kaisers Augustus, die Venus von Milo, den Hermes von Olympia oder den Poseidon vom Kap Artemision. Nach einer mittelalterlichen Pause wurde diese Tradition ab dem 15. Jahrhundert n. Chr. mit dem Beginn der Renaissance fortgeführt. Damals entstanden etwa Michelangelos David oder auch seine Bacchus-Statue. In der Kunstwissenschaft spricht man dabei von der ‘Idealen Nacktheit’. Im italienischen Klassizismus wurde diese Tradition im 18. & 19. Jahrhundert z.B. von Antonio Canova fortgeführt, der sogar Napoleon I. zu einer riesigen Statue in Mailand überreden konnte, die den stolzen Herrscher nackt zeigt. Als einer der letzten Vertreter der Idealen Nacktheit gilt der Bildhauer Rodin mit seiner berühmten Statue ‘Der Denker’ aus dem Jahr 1904. Antike Ideale vermischten sich damals mit der neu aufkommenden Freikörperkultur.
Die Fotografie wurde zur Konkurrenz
Gleichzeitig spielte die Nacktheit und Erotik auch auf den Ölgemälden ab dem 16. Jahrhundert eine ebenso große Rolle. Das so epische wie lieblich schöne Werk von Jaques-Louis David mit dem Titel ‘Mars wird von Venus entwaffnet’ aus dem Jahr 1824 ist hierfür ein hervorragendes Beispiel. Im frühen 20. Jahrhundert setzten Maler wie Pablo Picasso den Trend zur Nacktheit fort, selbst als er früh vom Realismus hin zum für ihn aus heutiger Sicht so typischen, skizzenhaften und surrealistischen Kubismus wechselte, als dessen Erfinder er gilt. Durch das Aufkommen der Fotografie wurde es danach in der Bildenden Kunst vergleichsweise ruhig beim Thema Erotik. Das neue Medium der Lichtbilder schien die Sphäre des Erotischen an sich zu ziehen. Fotografen wie Helmut Newton oder Bruce Weber wurden mit ihren sexuell aufgeladenen Fotografien weltberühmt. Jedoch gibt es heutzutage wieder einige hoch interessante KünstlerInnen, welche die Nacktheit und Erotik zu einem ihrer bestimmenden Motive gemacht haben.
Neue Erotik in der Bildenden Kunst
Stellvertretend für ihre Generation kann hier sicherlich die 1990 in Warschau geborene und heute im Vereinigten Königreich praktizierende Malerin Oh de Laval genannt werden. Ihre Werke versprühen eine erfrischende Leichtigkeit, sie entzieht sich einer strengen Politisierung, indem sie den geheimen Wünschen der Lust keine moralischen Grenzen setzt, sondern sie frei fließen lässt, als Farben auf Leinwänden. So poppig-bunt wie ihre Gemälde auf den ersten Blick wirken, als genauso tiefsinnig erweisen sie sich, bei ausgiebiger Betrachtung. Für ihr Alter hat Oh de Laval bereits ein stattliches Oeuvre vorzuweisen, darunter zahlreiche Ausstellungen sowie eine Kooperation mit der Modemarke Gucci – und man darf gespannt sein auf alles, was noch von ihr kommen wird. Falls sie mit ihrem Stil anderen jungen KünstlerInnen als ein Vorbild dienen könnte, wäre dies durchaus als eine Bereicherung der Kunstwelt zu begrüßen. Die Nacktheit, und damit auch das Erotische, bleiben nämlich ein wichtiger Bestandteil von menschlichem, künstlerischem Schaffen. Denn als unser ursprüngliches und reines Selbst, ohne Kleidung, Brillen etc., da sind wir nunmal nackt und die Kunst ist schließlich dazu da, mit dem wahren, oftmals versteckten Wesen der menschlichen Existenz zu arbeiten, wozu eben auch ganz natürlich und selbstverständlich die Erotik gehört.