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Grisélidis Réal

Das bewegende Leben der Griséldis Réal


Autorin, Künstlerin und Prostituierte. Griséldis Réals Leben glich mehr einem Film als dem Leben einer selbstbestimmten Frau. Am 31. Mai 2005 und im Alter von 76 Jahren starb die Dame, die als eine der Pionierinnen der Prostitutions-Bewegung gilt und auch nach ihrem Tod noch für Aufsehen sorgte. Schon zu Lebzeiten veröffentlichte sie verschiedene Werke. Das Buch „Carnet de bal“, das kurz nach ihrem Tod erschien, zeigte noch einmal auf, wie turbulent das Leben der Künstler-Prostituierten wirklich gewesen ist. 

Wer war Griséldis Réal?

Sie wurde am 11. August 1929 in der französischsprachigen schweizerischen Stadt Lausanne am Genfer See geboren, wo sie allerdings nicht lange bleiben sollte. Schon im Kindesalter zogen die Eltern mit ihr und ihren beiden Schwestern nach Alexandria in Ägypten. Ein paar Jahre darauf, als Griséldis acht Jahre alt war, verstarb ihr Vater und die Mutter kehrte als Witwe mit ihr und den beiden Schwestern zurück in die Schweizer Heimat. Es folgte eine eher unspektakuläre Kindheit und Jugend, in der sie ihre Liebe zur Kunst entdecke, welche sie auf die Kunstgewerbeschule Zürich zog. Ihre Eltern waren Lehrer, ein gewisser Grad an Bildung war im Hause Réal also von Anfang an vorhanden. In Zürich studierte sie während des zweiten Weltkriegs und schloss das Studium 1949 mit Erfolg ab. Im selben Jahr und im Alter von 20 heiratete sie und gebar ihr erstes Kind. Die Ehe hielt allerdings nicht lange, woraufhin Griséldis erneut ein Kind von einem anderen Mann gebar. 

Ein Leben wie ein Kunstwerk – Griséldis Réal war eine ganz besondere Frau

Familienmensch trotz Hürden

Die Zahl, wie viele Kinder sie hatte, ist weniger erstaunlich als die Anzahl der Schwangerschaften. Insgesamt war Réal elfmal schwanger, worunter es zu vier Geburten kam. Bei den restlichen sieben Schwangerschaften entschied sie sich jeweils für eine Abtreibung. Mit zwei ihrer Kinder zog sie dann Anfang der 1960er-Jahre nach Deutschland, wo ihr Werdegang als Prostituierte und Autorin erst beginnen sollte. 

Der Aus- und Aufbruch nach Deutschland

Eine ihrer Liebschaften aus der Schweiz befand sich 1961 in einer psychiatrischen Anstalt, wo ihm Griséldis Réal zur Flucht verhalf. Gemeinsam mit ihm, der Tochter und einem der Söhne flüchteten die beiden mittel- und perspektivlos nach Deutschland. 

Umstritten und geliebt – Griséldis Réal im Jahr 1980

Der Auslöser, der zur Prostitution führte

Eine ruhige Landstraße, ein Spaziergang und ein neugieriger Autofahrer. Diese Kombination und die Frage des Fahrers, ob sie sich nicht für Geld anbieten würde, veränderten das Leben der jungen Frau für immer. Nächster Halt – ein Undercover-Bordell in München, in dem sie als Prostituierte anschaffte, um ihre Kinder irgendwie durch zu bringen. Was sie dabei erlebte, sollte erst Jahre später ans Licht kommen. Ein Spießrutenlauf durch ganz Deutschland begann, bei dem sie mit ihren Kindern auch zeitweise Unterschlupf zwischen Sinti und Roma fand. 

1963 landet sie aufgrund des Handels mit Marihuana für sechs Monate in einem Münchner Gefängnis, bevor sie schließlich als Ausländerin des Landes verwiesen wurde. Die Zeit in Haft nutzte sie, um sich mit ihren künstlerischen Talenten zu beschäftigen, die sie auch nach dem Aufenthalt in der Haftanstalt engagiert weiterführen wollte. 

Griséldis Réal – einmal Hure, immer Hure?

Nachdem sie aus Deutschland ausgewiesen worden war, kehrte sie in die Schweiz zurück, wo sie erneut die Tätigkeit als Prostituierte aufnahm. Eigentlich wollte sie damit aufhören, sich ganz der Kunst widmen, schaffte den Absprung allerdings nicht und führte fortan ein zweigleisiges Leben. Sie schrieb, arbeitete weiterhin als Hure und vertiefte auch dort ihre Fertigkeiten, z.B. im Bereich der aufwändigen Bondage. 

Ihr erstes Buch veröffentlichte die schreibende Prostituierte 1974, welches eine Autobiografie war. In „Le Noir es une Counleur“ (Schwarz ist eine Farbe) berichtet sie über ihr Leben der wilden 60er-Jahre, ihre Erfahrungen als Prostituierte und gibt Einblicke in Korrespondenzen mit Soldaten verschiedener Herkunftsländer. Besonders markant herausgestellt wird dabei ihre Schwäche für afroamerikanische Männer. Erst über 40 Jahre später wurde ihre Autobiografie ins Deutsche übersetzt. Allerdings wurde als Titel nicht die direkte Übersetzung „Schwarz ist eine Farbe“ genutzt, sondern „Erinnerungen einer Negerhure“, gewählt. Ein anmaßender Titel, der mit latent rassistischem Unterton Réal zu einer mangelhaften Frau macht, die auf ihre sexuellen Vorlieben reduziert wird.

Dabei handelt es sich bei der Autobiografie vielmehr um eine Aufzeichnung dessen, was sie alles durchlebt hatte, um in der schwierigen Nachkriegszeit ihre Kinder ernähren zu können. Demütigung, Schmerzen, seelische Qualen eingeschlossen. 

Ein bewegendes Leben voller ‚Ups and Downs‘ – Réal im Jahr 1998

Griséldis Réal – Aktivistin für Prostituierte

Nicht nur, dass sie in ihrem 1974 veröffentlichten Buch Einblicke in das Leben einer Prostituierten gewährte und zugleich Missstände aufzeigte. Bereits 1970 bekannte sie sich als Aktivistin und besetzte gemeinsam mit 500 anderen Frauen eine Kirche in Frankreich und begann damit die erste ‘französische Revolution’ von Prostituierten – und läutete damit den Beginn der internationalen Hurenbewegung ein. 

Réal wurde zum Aushängeschild dieser Bewegung und erlangte große Aufmerksamkeit in den Medien der damaligen Zeit. Sieben Jahre später verließ sie Frankreich und kehrte erneut in die Schweiz zurück, um sich auch dort für die Rechte von Prostituierten einzusetzen. Seit 1977 verteidigte sie von dort die Lebensweise der Prostituierten, hielt zahlreiche Vorträge und nahm an öffentlichen Diskussionen teil, um so international zur Aufklärung von Missständen des Metiers beizutragen. 

Dabei arbeitete sie kontinuierlich weiterhin als Hure und konnte so aus erster Hand berichten, welche Schattenseiten die käufliche Liebe mit sich bringt. 1992 erschien ein weiteres Werk von ihr (La Passe imaginaire), welches allerdings nur in französischer Sprache erschien. 

„Autorin, Künstlerin, Prostituierte“ – das Grab der Réal in Genf.
Möge sie in Frieden ruhen.

Brisante Details erst nach ihrem Tod 

Ein Werk von Griséldis Réal kam allerdings erst nach ihrem Ableben 2005 zutage. Dabei handelt es sich nicht um einen fertiggestellten Roman, sondern um ein Notizbuch. Eine Requisite ihrer Tätigkeit, die sie rund 20 Jahre begleitete. Ein kleines schwarzes Buch, in dem Namen, Vorlieben und andere Details bezüglich ihrer Klienten verfasst wurden. Nur wenige Monate vor ihrem Tod verfasste sie das Vorwort „Trente ans de metier“ (Dreißig Jahre im Beruf), mit dem das Buch unter dem Namen „Carnet de bal“ veröffentlicht werden sollte. Das Werk erschien noch im selben  Jahr ihres Ablebens und ist bis heute nur in französischer Sprache verfügbar. 

Das einzige in deutscher Sprache übersetze Werk ist das bereits erwähnte von ihr 1974 veröffentlichte Buch „Le Noir es une Counleur“ (Schwarz ist eine Farbe), das fahrlässig mit dem Titel „Erinnerungen einer Negerhure“ übersetzt wurde. In anderen Werken veröffentlichte sie Briefe, die sie in den Jahren mit verschiedenen Männern ausgetauscht hatte. Nur fünf Tage vor ihrem Tod am 31. Mai 2005 verfasste sie den letzten Brief und starb daraufhin an den Folgen ihrer Krebserkrankung. Griséldis Réal bleibt in Erinnerung als eine legendäre Frau, deren Lebenswandel bis heute für Aufregung und Aufmerksamkeit sorgt. Kaum eine Frau hat Kunst und Prostituition im 20. Jahrhundert so zusammengeführt wie sie. Adieu, Griséldis, et merci.

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