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Sexsucht

Sexsucht – gibt es das wirklich?

Heute wollen wir uns einem Thema widmen von dem wahrscheinlich alle schon einmal gehört, sich aber noch nie im Detail damit beschäftigt haben: die Rede ist von Sexsucht. Im Folgenden versuchen wir, naheliegende Fragen zu beantworten. Was genau ist Sexsucht? Ab wann ist man Sexsüchtig und existiert ein entsprechendes Krankheitsbild überhaupt? Geht es hier um ein psychisches Problem oder einen urbanen Mythos? Dieser Artikel hat die Absicht, die Hintergründe zu beleuchten.

Ein erster Gedanke zu diesem Thema könnte vielleicht darin bestehen sich zu wundern, was ‘zu viel’ Sex denn überhaupt bedeuten könnte. Schließlich ist es ja nicht so wie bei z.B. Alkohol, dass die schädlichen Auswirkungen auf Körper und Geist zunehmen, je mehr und öfter man davon etwas abbekommt. Vielleicht ist es da ja nützlich, sich über Zahlen und Daten an Erkenntnisse heranzutasten. Laut einer länderübergreifenden Erhebung haben die Menschen in Deutschland durchschnittlich 2,2 Mal pro Woche Sex. Spitzenreiter ist in diesem Datensatz Griechenland mit 3,2 Mal und Schlusslicht Japan mit 0,9 Mal pro Woche. Aber was ist jetzt, wenn jemand wirklich jeden Tag Sex hat? Oder dreimal am Tag, etwa morgens, mittags und Abends, wäre das dann schon eine Sucht?

Ab wann spricht man von einer Sexsucht?

Um eines vorweg zu nehmen, häufiger Sex ist grundsätzlich nicht als negativ einzustufen. Schließlich hat eine sexuelle Betätigung zahlreiche positive Einflüsse auf unsere Gesundheit. Man könnte daher wahrscheinlich kurz und knapp die Aussage treffen, dass häufiger Sex einem Wohlbefinden zukömmlicher ist als das Gegenteil, nämlich weniger als gewünscht oder gar keinen Sex zu haben. ExpertInnen sind sich daher weitgehend darüber einig, in einem allgemein gesteigerten Verlangen nach Sex noch keine entsprechende Sucht erkennen zu können. Das Abdriften ins Pathologische beginnt erst an dem Punkt, wo das Verlangen nach Sex zu negativen Auswirkungen auf das eigene Leben oder das persönliche Umfeld führt. Erst wenn eine ‘Dauergeilheit’ quasi die Kontrolle über das eigene Ich übernimmt, was oftmals in einem schleichenden Prozess stattfindet, und z.B. das Arbeitsleben und sonstige soziale Leben so marginalisiert wird, dass es nicht mehr funktionierend erfüllt werden kann, wird das Verhalten als eine echte Sucht bezeichnet.

Geschichte der Sexsucht

Es ist nicht neu, dass sich die Menschheit mit dem Phänomen beschäftigt, welches wir heutzutage als Sexsucht bezeichnen. Im deutschsprachigen Raum des 19. Jahrhunderts wurde der übersteigerte sexuelle Appetit des Mannes meist als ‘Satyriasis’ oder ‘Satyromanie’ bezeichnet und man hielt körperliche Arbeit, Eisbäder und eine Rückbesinnung auf moralische Werte für die Lösung der Angelegenheit, die nach damaligen Vorstellungen von Hedonismus und Masturbation herrührte. In Anlehnung an die Romanfigur ‚Don Juan‘ sprach man bei sehr häufig wechselnden SexualpartnerInnen auch von ‘Donjuanismus’. Traten die selben Symptome bei Frauen auf, sprach man von einer ‘Nymphomanie’. Dabei wurde die Einstufung in ‘nymphomanisch’ sehr stark von kulturellen, sittlichen, sexualmoralischen und sonstigen sich historisch wandelnden Gesellschaftsnormen beeinflusst. Man kann sich vorstellen, wie in patriarchalischen Gesellschaften Nymphomanie als Vorwand dazu genutzt wurde, besonders Frauen die Kontrolle über ihre Vernunft abzusprechen. Denn was wenn eine junge Dame lieber mit den wechselnden Männern ihres Gefallens schläft, anstatt ausschließlich mit dem ihr familiär angetrauten Ehemann? Welch Skandal! (Ironie off) Ein Begriff der für beide Geschlechter verwendet wurde ist die ‘Erotomanie’. Heutzutage spricht man dagegen eher von der ‘Hypersexualität’.

Ist die Sucht nach Sex eine offizielle Krankheit?

Die reine ‘Sexsucht’ als solche wurde im Jahr 2015 aus dem offiziellen medizinischen Diagnosesystem der UNO (ICD) gestrichen. Dies bedeutet also, dass ein intensives Verlangen nach häufigem Sex, auch mit wechselnden PartnerInnen, keine offizielle Krankheit darstellt und ein solches Verhalten nicht objektiv als krankhaft bezeichnet werden kann. Wie weiter oben bereits erwähnt, hat ein geradezu wahnhaftes Verlangen nach Sex allerdings das Potenzial, zu unwillkommenen Auswirkungen auf das eigene Leben zu führen, ähnlich wie eine Spielsucht, wo das Problem nicht im Spielen an sich liegt, sondern in der Abhängigkeit danach und dem drohenden finanziellen Ruin der sich oftmals daraus ergeben kann. Ein vergleichbar problematisches Phänomen wäre es, wenn ein Normalverdiener jeden Tag ein Bordell besuchen würde. Deshalb stehen einzelne Aspekte der Sexsucht im ICD heutzutage unter der Überschrift “Nicht näher bezeichnete sexuelle Funktionsstörung, nicht verursacht durch eine organische Störung oder Krankheit” oder werden im Bereich “Störung der Impulskontrolle” behandelt. Zusammengefasst könnte man sagen, dass heutzutage eine Sexsucht als solche gilt, wenn eine Person durch ihr sexuelles Verhalten sich selbst und/oder andere Personen deutlich schädigt.

Beispiele und Problematik

Wie das tatsächlich übersteigerte Verlangen nach Sex zu negativen Folgen führen kann, zeigen zahlreiche Erfahrungsberichte von Betroffenen. Da wäre z.B. Petra, die oft 10 Mal am Tag Sex haben musste um ihr Verlangen zu stillen. Jeder Pizza-Bote, jeder Mann den sie in einem Club traf, war sofort dran und ‘musste’ mit ihr ins Bett. Erst als sie kurz vor der Hochzeit ihrer besten Freundin mit deren Verlobtem schlief und dadurch die Freundschaft zu beiden verlor, erkannte sie nach Sex mit über 400 Männern das Problem und ging zu einem Psychiater, der ihr weiterhelfen konnte. Oder Simone, die durch ihre Sexsucht fast das mittelständische Unternehmen welches sie führte an die Wand gefahren hätte und dabei auch fast noch Mann und Kinder verlor. Manche Sexsüchtige, wie Lea etwa, berichten davon, dass vernünftige Dinge wie Verhütung gar keine Rolle mehr für sie gespielt hätten und sie sich so zahlreiche Geschlechtskrankheiten eingefangen und diese auch häufig weiterverteilten. Außerdem hatte Lea im Alter von 30 Jahren bereits sieben Abtreibungen hinter sich. Sie erzählte auch, wie sie sich nicht zurückhalten konnte, ihrem Chef in einer Anwaltskanzlei, der sie beim Masturbieren am Arbeitsplatz erwischte, einfach in den Schritt zu greifen und sie deshalb fristlos gefeuert wurde. 

Sexsucht zusammengefasst

Die vorangegangenen Beispiele und Erläuterungen zeigen also unterschiedliche Aspekte dessen auf, was gemeinhin unter ‘Sexsucht’ verstanden wird. Anders als in vergangenen, konservativeren Zeiten stellt der Wunsch nach und die Auslebung von sexueller Begierde heutzutage keine krankhafte Erscheinung dar. Wie erwähnt, gibt es zahlreiche positive Wirkungen auf die Gesundheit durch Sex, Küssen und Kuscheln. Erst wenn Sex zu einer Zwangsstörung mutiert und deutliche Nachteile für die eigene Gesundheit bzw. die von anderen oder Probleme am Arbeitsplatz und im sonstigen Alltag entstehen, spricht man im krankhaften Sinne von einer behandlungsbedürftigen Sexsucht. Betroffene sollten dann durchaus mal ein Gespräch mit ÄrztInnen oder PsychiaterInnen in Erwägung ziehen. Häufiger Sex an sich, auch mehrmals täglich, Sex-Positivity und auch Sexarbeit fallen selbstverständlich nicht in diese Kategorie. Wer das noch nicht wusste, für den/die wäre das an dieser Stelle jetzt geklärt.

Einen Online-Test für Sexsucht findet ihr z.B. hier.

Ihr seid oder ward selbst Sexsüchtig? Schreibt uns gerne vertraulich einen Erfahrungsbericht über Twitter.

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