In der US-TV-Show ‘The Bachelor’ des Fernsehsenders ABC kam es jüngst zu einem Vorfall, der die Klatschspalten der Boulevard Medien beschäftigt. Das Prinzip der bekannten Reality Show sieht vor, dass ein attraktiver Junggeselle, der sogenannte Bachelor, innerhalb weniger Wochen eine Vielzahl attraktiver Damen datet, um sich am Ende für seine Herzensdame zu entscheiden. Die allermeisten Menschen wissen selbstverständlich über das Trash-Niveau des Unterhaltungsformats Bescheid, trotzdem sorgen solche Sendungen ähnlich wie Casting-Shows teilweise für wichtige gesellschaftliche Debatten. Wird etwa in einer solchen TV-Show eine Teilnehmerin für z.B. ihr Äußeres oder ihre Herkunft kritisiert, folgen schnell mediale Diskussion darüber, ob ein solches Verhalten im 21. Jahrhundert in einer modernen Gesellschaft noch akzeptiert werden darf oder nicht. Die Reaktionen von Zuschauern und Medien auf Vorkommnisse in der Welt des Reality-TV, können daher wie ein Gradmesser für den aktuellen Zustand einer Gesellschaft fungieren.
Wettbewerb um Bachelor erhitzt die Gemüter
In der Bachelor-Show kann es durchaus vorkommen, dass zwischen den Damen im Wettbewerb um den begehrten Junggesellen die Ellenbogen ausgefahren werden und die Fetzen fliegen. In der neuesten Staffel wirft nun Anna Redman ihrer Konkurrentin Brittany Galvin vor, als Escort zu arbeiten. Ohlala, da war die Aufregung groß, zahlreiche Artikel erschienen über die Angelegenheit, im Chicago Tribune genauso wie in der New York Post. Da wurde der Auftakt zur Sendung gleich zu einer Generalabstimmung über das moralisch Vertretbare. Denn vielerorts, auch in den USA, sind Frauen, die sich aus freien Stücken als Escort oder in verwandten erotischen Berufen betätigen, immer noch großen Gefahren durch gesellschaftliche Diskriminierung ausgesetzt. Eine Frau, die frei ihre Sexualität auslebt oder ihr Hobby in dieser Bereich zum Nebenberuf macht, kann schnell eine andere, ‘zivile’ Arbeitsstelle verlieren, ihre öffentliche Reputation sowieso. Als wären wir in irgendeinem rückständigen ‘Gottesstaat’.
Escorts nicht frei von Diskriminierung
Galvin selbst gab sich empört ob der allem Anschein nach unbegründeten Vorwürfe. Sie arbeite lediglich als Model im Modebereich und ihre Konkurrentin Redman habe sie noch nie getroffen. Beim Bachelor wird dieser vorbeugend versuchte Rufmord wohl nicht besonders gut ankommen, wir werden sehen. Aber in der Debatte geht es am Ende ja natürlich gar nicht mehr um die Frage, welche Teilnehmerin einer TV-Show nun als Escort arbeitet oder nicht. Es geht darum, dass keine Frau dafür öffentlich an den Pranger gestellt werden darf, wenn sie sich aus freien Stücken nach ihren Wünschen und Vorlieben betätigt und vergnügt. Dass im Jahr 2021 noch ein sogenanntes Slutshaming öffentlich betrieben werden darf, ist einer Gesellschaft der westlichen Welt und darüber hinaus mehr als unwürdig. Der Fall erinnert an eine 23-jährige Onlyfans-Performerin, die im Hauptberuf in New York als Rettungssanitäterin arbeitet. Eine große Tageszeitung machte eine große Story aus dem Hobby der jungen Dame und offenbarte einem Millionenpublikum ihren echten Vor- und Nachnamen inklusive Arbeitsort sowie zahlreiche persönliche Details und Daten. Es wird wohl noch eine ganze Weile dauern, bis unsere ach so fortschrittliche Gesellschaft eine freie weibliche Sexualität und Autonomie akzeptieren wird. Kleiner Funfact zum Schluss: in der 19-jährigen Geschichte des ‘Bachelor’ kam es erst ein einziges Mal vor (2013), dass sich zwischen der Gewinnerin und dem im Mittelpunkt der Sendung stehenden Junggesellen eine Liebesbeziehung ergab.