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Film ‚Deep Throat‘: Beginn einer Legende

Im Jahr 1972 kam eine Low-Budget Produktion in die Kinos, die international für Furore sorgte. Der Film “Deep Throat” wurde innerhalb gerade mal sechs Drehtagen fertiggestellt. Den Produktionskosten von 22.500 US-Dollar standen am Ende riesige Einnahmen gegenüber, die auf weit über 100 Millionen US-Dollar geschätzt werden. Damit ist “Deep Throat” sicher einer der finanziell erfolgreichsten Filme aller Zeiten. Aber was machte das Werk so beliebt, dass es bis heute einen legendären Ruf genießt? Wir führen euch ein in die Hintergründe und die wahre Bedeutung des Filmklassikers “Deep Throat”.

Als “Deep Throat” also 1972 in die Kinos kam, da befanden sich die westlichen Gesellschaften gerade in großen Umbrüchen. Das Aufkommen der Hippie- und Friedensbewegungen führte zu hitzigen Diskussionen, konservative und fortschrittliche Kräfte standen sich vielerorts unversöhnlich gegenüber. Liberalität traf auf Rassentrennung, sexuelle Befreiung auf Puritanismus, Hedonismus auf Prüderei. Kaum verwunderlich, dass da “Deep Throat” als erster Pornofilm in der Kinogeschichte, für große Aufregung sorgte. Wo die einen mit Entsetzen ein Verderben von Jugend und Gesellschaft befürchteten, schauten andere mit lustvoller Vorfreude dem Genuss des Filmes entgegen. Denn kurz und knapp lässt sich festhalten: “Deep Throat” hatte den Pornofilm an sich gesellschaftsfähig gemacht. Wie man sich leicht vorstellen kann, geschah dies nicht ganz ohne Gegenwind.

“Deep Throat” war Ausdruck eines Lebensgefühls

Die Produzenten und SchauspielerInnen des Films stammen im weiteren Sinne meist aus der Halbwelt des New Yorker Rotlichtmilieus, angefangen bei Regisseur Gerry Damiano, der zuvor bereits ein wenig mit Softcore-Produktionen zu tun hatte. Die Hauptdarstellerin Linda Lovelace arbeitete zu der Zeit als Gelegenheitsprostituierte und kam über ihren damaligen Zuhälter eher zufällig zu dieser Produktion. Damals war es populär unter den aufgeschlossenen Starlets kurze pornographische Super-8-Filmchen zu drehen, die zwar ohne Ton und in Schwarz-Weiß gefilmt wurden, sich aber trotz ihrer Illegalität großer Beliebtheit bei der Männerwelt erfreuten und z.B. in Peepshows am Times Square aufgeführt oder verkauft wurden. Damals fand Pornographie noch ausschließlich im Untergrund statt, weil es gesetzliche Verbote gab, aber es galt als Hipp und Sexy mal in einem Porno mitgespielt zu haben, wie Zeitzeugen in einer umfangreichen Dokumentation berichten. Alles konnte, nichts musste, die Pille und das Motto “Make Love Not War” führten zu einer großen sexuellen Freiheit, die vielleicht sogar weiter ging als als die heutigen Verhältnisse im 21. Jahrhundert. Kein Wunder also, dass da “Deep Throat” sozusagen auf fruchtbaren Boden fallen musste. Wahrscheinlich wäre dies heutzutage nicht anders, allerdings gibt es mit dem Internet inzwischen ein leicht verfügbares und reichhaltiges pornographisches Angebot, was damals aus technologischen Gründen so bei Weitem noch nicht der Fall war.

Aber worum ging es eigentlich in “Deep Throat”?

Jetzt könnte man natürlich sagen naja, es ist halt ein Porno. Dabei hat der Film tatsächlich auch eine Handlung, auch wenn diese, sagen wir, ein wenig typisch für ihr Genre ausfällt. Es geht nämlich um die 20-jährige Linda in der Hauptrolle, die aufgrund ihrer Orgasmusprobleme einen Arzt konsultiert. Was dann geschieht kann man sich schon fast denken, allerdings gibt es dabei erwartungsgemäß einen Bezug zum Titel des Films. Denn Deepthroat bezeichnet eine Variation des Blowjobs, bei dem der geblasene Penis bis zum Schaft im eigenen Hals versenkt wird – daher der Name “Tiefe Kehle”. Der Titel ist selbstverständlich Programm und die ZuschauerInnen begleiten Linda dabei, wie ärztlich festgestellt wird, dass ihre Klitoris angeblich in ihrer Kehle sitzt und sie nur durch die Stimulation selbiger zu echten Orgasmen fähig wird. So war das also in den ersten Pornos, Trash gepaart mit Männerfantasien ergeben kultige Zeitzeugnisse einer heiteren Ära, in der es noch kein HIV oder sonstige Lustkiller gab. Das genau ist es wohl auch, was den Reiz der Erotik- bzw. Porno-Filme dieser Zeit bis heute so attraktiv und unterhaltsam machen. Leichtigkeit gepaart mit Humor und Lebensfreude haben eine ganz besondere Mischung ergeben, die uns bis heute fasziniert und unterhält.

Zeitgenössisches Filmplakat aus 1972: Ein Film, so umstritten wie begehrt.

Die Mafia hatte ihre Hände im Spiel

Das Drehbuch zum Film entstammt aus der Hand des Regisseurs, Gerry Damiano wurde angeblich durch zahlreiche Gespräche mit sexuell enttäuschten Damen, die seinen Friseurladen frequentierten, dazu inspiriert. Als er seinen Geschäftspartnern seine Ideen vorstellte reagierten diese zögerlich, vor Allem weil sie Linda Lovelace für zu unscheinbar für solch eine Hauptrolle hielten. Aber Damiano gab nicht auf, die besonderen sexuellen Fähigkeiten der Dame passten einfach viel zu gut zu diesem Projekt. Seine Geldgeber waren übrigens stadtbekannte Mafiosi, die nach einigem Zögern einer Finanzierung in Höhe von 25.000 US-Dollar zustimmten. Danach konnten die Dreharbeiten beginnen und dafür ging es in den Süden ins sonnige Florida, auch dies ein Novum bei einer damaligen Pornoproduktion. Die Hauptdarsteller sowie das gesamte Produktionsteam brachten ihre Familien mit, es wird von einer angenehmen familiären Atmosphäre berichtet. Natürlich wurden die Kinder weg geschickt, sobald es ‘zur Sache’ ging. Doch dieses geradezu idyllisch wirkende Bild hat seine Schattenseiten, denn auch am Set von “Deep Throat” wirkte die Mafia unter dem Einfluss von Alkohol, Drogen und Gewalt. Der herausragende kommerzielle und populäre Erfolg des Films täuscht fast darüber hinweg, dass die zahlreichen kriminellen Verbindungen der Beteiligten zu vielen Problemen führten.

Ein Film wie der Spiegel einer Zeit

“Deep Throat” wurde in einer echten Zeit der Veränderungen veröffentlicht. Erst kurz zuvor, 1953, veröffentlichte der berühmte Forscher Alfred Kinsey sein Standardwerk “Das sexuelle Verhalten der Frau” und 1966 wird zum ersten Mal der weibliche Orgasmus in den USA wissenschaftlich untersucht. Die Hippie-Bewegung mit dem ikonischen Woodstock-Festival im Jahr 1969 besorgte den Rest, Sex war jetzt in aller Munde, so viel Wortspiel darf sein. Auch die erotische Zensur in US-amerikanischen Medien fiel Anfang der 1970er Jahre, man könnte sagen, “Deep Throat” kam im perfekten Moment in die Kinos. Denn überall in den USA (und wohl auch in anderen Ländern) wurde damals über den weiblichen Orgasmus und die Klitoris diskutiert, die beide damals noch viel mehr als heute Gegenstand wissenschaftlicher Forschung waren. Der Film nimmt diese Debatten auf humoristische Art und Weise auf und verbindet damit neben einem hohen erotischen Unterhaltungswert auch die Einbeziehung gesellschaftlicher Entwicklungen und Trends. In “Deep Throat” trifft Kino auf emanzipatorisches Potenzial und feministische Praxis auf männliche Begierde. Nie zuvor stand der weibliche Orgasmus so im Mittelpunkt der Kunst und die komödiantische Art des Films machte ihn geeignet für ein breites Publikum. Trotzdem wurde vielerorts in den USA gegen den Film gekämpft, Sittenwächter aller Couleur zogen auf die Barrikaden. Noch heute gibt es umfangreiche Debatten, sobald ein Sender ankündigt den Kultfilm auszustrahlen. Im Jahr 2022 feiert “Deep Throat” sein 50-jähriges Jubiläum und hat bei genauerer Betrachtung bis heute kaum etwas von seinem Reiz, seiner Ambivalenz und seiner gesellschaftlichen Bedeutung verloren. Dadurch erweist sich das Werk als visionäres Stück Kinogeschichte, welches seine Relevanz erfolgreich gegen das Vergessen verteidigt.

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