Bereits seit Jahren fordern einige PolitikerInnen und Verbände ein Sexkaufverbot in Deutschland. Dies ist im Kern eine altbekannte Debatte, da sie bereits mindestens seit der Einführung des Prostitutionsgesetzes im Jahr 2002 geführt wird. Durch die aktuellen Entwicklungen in Zeiten von Corona, wagt eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten nun einen neuen Vorstoß. In einem offenen Brief an die Ministerpräsidenten aller Bundesländer, fordern die 16 Parlamentarier die Unterstützung bei der Einführung eines bundesweiten Sexkaufverbots nach dem sogenannten Nordischen Modell. Beim Nordischen Modell, das wegen seiner erstmaligen Etablierung in Schweden auch oft Schwedisches Modell genannt wird, werden alle Handlungen welche die Prostitution unterstützen kriminialisiert, vor allem die KäuferInnen von Sex, also die Freier, die zum weit überwiegenden Teil männlich sind. Die AnbieterInnen von sexuellen Dienstleistungen, die weit überwiegend weiblich sind, werden nach dem Nordischen Modell nicht strafrechtlich verfolgt, weil davon ausgegangen wird, dass sich diese ausschließlich in Notlagen befinden und eines besonderen Schutzes bedürfen, vor allem vor Fremdbestimmung wie Zuhälterei oder anderen Formen von Gewalt, auch durch Kunden. Das Nordische Modell wird begleitet von Beratungsangeboten und Ausstiegshilfen für Prostituierte.
ProstitutionsbefürworterInnen werden lauter
Während die Argumente der GegnerInnen von Prostitution oftmals schon länger bekannt sind, gibt es auch wichtige Akteure aus den Bereichen Soziales, Politik und Gesellschaft, die eine ganz andere Meinung und Perspektive vertreten. Deutlich zum Vorschein kam dies jüngst während einer parlamentarischen Anhörung von Experten zum Thema Sexkaufverbot im Landtag von Nordrhein-Westfalen (NRW). Dort zeigte sich nach ausgedehnten Diskussionen die Situation, dass die Forderung nach einer Prohibition von Prostitution wohl keine parlamentarische Mehrheit in NRW finden würde. Die BefürworterInnen legaler Sexarbeit zeigten sich davon überzeugt, dass ein Verbot lediglich die illegale, fast unkontrollierbare Prostitution fördern würde, inklusive einer erheblichen Verschlechterung der rechtlichen Möglichkeiten und Sicherheiten der Prostituierten. Die Debatte hat sich in den letzten Jahren eigentlich kaum fortbewegt, zwei unterschiedliche Lager mit jeweils eigenen Logiken und Weltbildern stehen sich gegenüber. Auf der einen Seite die, die prekäre Arbeitsbedingungen im Rotlicht, Menschenhandel und Zuhälterei im Fokus haben. Auf der anderen Seite die Menschen, welche Prostituierten soziale Hilfen anbieten und daher genau wissen welche Maßnahmen den Betroffenen helfen – und die aus Erfahrung wissen, dass sich Prostitution nuneinmal nicht abschaffen lässt. Ob mit Verbot oder ohne. Dies führt zu der Situation, dass sich u.a. die Evangelische Diakonie, der Sozialdienst Katholischer Frauen oder die Deutsche Aidshilfe von einem Sexkaufverbot deutlich distanzieren.
Eine Debatte die anhält
Vorerst wird sich die gesetzliche Situation in Deutschland wahrscheinlich kaum ändern. Sowieso steht die gesamte Sex- und Erotikbranche durch die Corona-Pandemie bereits unter großem Druck, die Ausübung so ziemlich aller Berufe des Rotlichts sind zur Zeit verboten. Die BefürworterInnen eines langfristig gültigen Sexkaufverbots wollen die Gunst der Stunde nutzen und argumentieren auch mit dem potenziellen Superspreader-Effekt, den Sexarbeit theoretisch an sich haben könnte. Noch gibt es jedenfalls keine stichhaltigen Hinweise auf einen Erfolg der Anti-Prostitutions-AktivistInnen. Aber es kann als sicher gelten, dass uns die leidenschaftlich geführte Debatte über das Für und Wider der Sexarbeit noch eine ganze Weile auf unterschiedlichen Ebenen begleiten wird.