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Sexarbeit Audioguide Berlin

Neu: Audioguide über Geschichte der Sexarbeit in Berlin

In Berlin können sich Interessierte jetzt in einem neuen Format über die Geschichte der Sexarbeit in der deutschen Hauptstadt informieren. Ein neu entwickelter Audioguide lädt ein auf eine Tour mit zwölf Stationen, an denen wichtige Meilensteine und Orte der deutschen Rotlicht-Kultur erläutert werden. Dabei steht der sogenannte Bülowkiez im Mittelpunkt der Reise, zu dem auch der berühmt-berüchtigte Kurfürstendamm gehört.

Das spannende Informationsprojekt wird von gleich mehreren Gruppen und Verbänden aus der Sexarbeitsbranche getragen, nämlich der “Sektion für Sexarbeiter*innen der Freien Arbeiter*innen Union Berlin”, dem “Schwules Museum” sowie den BetreiberInnen der “Berlin History App.” Gemeinsam wurde eine informative Bildungsreise kreiert, die sich dem verruchten Teil der Geschichte Berlins widmet, und dabei edukative Elemente mit den urbanen, alltäglichen Tatsachen der Stadt verknüpft. Der Audioguide nimmt einen dabei mit auf eine Tour durch die vergangenen Jahrzehnte. Begonnen im Jahr 1885 am Bahnhof Bülowstraße, entfaltet sich Kapitel für Kapitel die spannende Geschichte einer Welt der Lust im Halbverborgenen, die bis heute ihren Charme von Geheimnis und Attraktivität bewahrt hat.

Audiotour zu “Wir waren schon immer überall”

Hintergrund und Intention des Vorhabens ist laut den Beteiligten eine Stärkung der öffentlichen Wahrnehmung von SexarbeiterInnen, die seit jeher mit Stigmatisierung und einer Situation im gesellschaftlichen Abseits zu kämpfen haben. Dabei taucht man an einer Station der Tour ab in die wilden Zeiten der 1920er Jahre, die auch als die Goldenen Zwanziger bekannt sind und bis heute als maßgeblich für das Image Berlins gelten. In den damaligen Schaubühnen und Varietés haben sich erotische Darbietungen zum Massenphänomen entwickelt und die ersten modernen Stars gingen daraus hervor. Das Verwegene kam dabei niemals zu kurz, die Grenzen zwischen Sex-Appeal und Tanz verschmolzen und auch die Prostitution erreichte damals wohl nie gekannte Ausmaße. Dazu passt der Titel der Audiotour ganz vortrefflich: “Wir waren schon immer überall”.

Legale Sexarbeit war nicht selbstverständlich

Den InitiatorInnen des Projekts geht es dabei auch um die Sichtbarmachung und Anerkennung von Sexarbeit, schließlich ist diese erst seit dem Jahr 2002 wirklich legal in Deutschland und immer noch gibt es eine gewisse gesellschaftliche und strukturelle Ächtung der darin tätigen Personen. Dies bringt Initiatorin Emma Pankhurst, selbst in der Sexarbeit tätig, mit einer Aussage auf den Punkt: „Wir verärgern die Menschen, indem wir einfach nur arbeiten, um unsere Familien und unsere Kinder zu ernähren und zu überleben. Wir sind seit Generationen hier, wir gehören hierher und wir verdienen es, hier in Sicherheit zu arbeiten.“ Wie stark Sexarbeitende immer wieder diskriminiert werden, wird hier wie unter dem Brennglas deutlich, anscheinend fällt es vielen Menschen immer noch schwer, Sexarbeit als einen Job wie jeden anderen zu akzeptieren. 

Interviews mit Sexarbeitenden im Audioguide

Während der Tour informieren daher gleich mehrere Sexarbeitende über ihr Leben, ihre Hintergründe und Ansichten zum Thema Prostitution. Denn wer, wenn nicht die selbst in der Branche tätigen Menschen, könnten ungeschminkter und direkter über dieses interessante Thema unterrichten? Die Vielfalt der SexarbeiterInnen steht dabei im Vordergrund, denn keine der im Audioguide vorgestellten Lebensgeschichten ist wie die andere. Es geht hier also auch um die Sichtbarmachung von Menschen, die oftmals sowohl beruflich, als auch privat eher unter dem Mantel des Schweigens leben, um Diskriminierung und Empörung im und durch das Umfeld zu vermeiden. Denn bei diesem Projekt geht es nicht nur um Information und Geschichte, sondern auch um Empowerment im Hier und Heute, für Gleichberechtigung, Akzeptanz und Respekt gegenüber allen Menschen, die Sexarbeit zu ihrem Beruf gewählt haben.

Vielfalt der Sexarbeit anerkennen

Ein weiterer Schwerpunkt von “Wir waren schon immer überall” liegt auf dem starken Band, welches queere Lebensrealität und die käufliche Liebe schon lange verbindet. So geht der Audioguide auch umfänglich auf diesen Teil deutscher Geschichte ein, schließlich gab es bereits in den 1920er Jahren sogenannte “Transvestitenlokale” in Berlin. Diese wurden aber in den 1930er Jahren von den Nazis geschlossen und viele Menschen, die dort gearbeitet hatten oder KundIn waren, wurden inhaftiert – und Schlimmeres. Wenn Sexworker und LGBTQI-Personen für ihre Freiheiten und gegen Diskriminierung kämpfen, dann geschieht dies auch zum Vorteil der Mehrheitsgesellschaft, die ebenfalls von entsprechenden Liberalisierungen profitiert. Der digitale Audiospaziergang widmet sich mit modernen Methoden einem traditionellen Gewerbe, das wie andere Branchen ebenfalls unter dem Einfluss der Digitalisierung steht. Denn obwohl es auch im Bülowkiez noch einen traditionellen Straßenstrich gibt, werden SexarbeiterInnen heutzutage oft über Erotikportale im Internet gebucht.

Link zum Download der Berlin History App:
https://berlinhistory.app

Weitere Informationen zum Projekt:
https://www.schwulesmuseum.de/ausstellung/we-have-always-been-everywhere/

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